ARABISCHE APOKALYPSE

Von Etel Adnan
Mit Elisabeth Auer, Holger Endres, Reda Regragui und Mathias Wendel

Musik: Patrick Kokoszynski
Regie: Rainer Escher // Deutschsprachige Erstaufführung
Ein Cross-Over von Theater, Installation und Performance – vom Werk zum Ereignis

Ausgangspunkt von Etel Adnans 1980 entstandenem Gedichtzyklus, der erst im letzten Jahr auf Deutsch erschien, ist die Belagerung und Zerstörung des Palästinenserdorfes Tell Zataar im Jahr 1975: Sie arbeitet darin die Schrecken und Katastrophen des Bürgerkrieges im Libanon auf. Aktualität bekommen die Texte durch die gegenwärtigen Ereignisse in der arabischen Welt.

Sie weisen jedoch weit darüber hinaus. Adnan zeigt eine im Chaos versinkende Welt und Menschen, die darin sterben oder überleben und weiterleben. Die Stimme der Vernunft regiert nicht mehr, im Chaos gibt es keine Ordnung, keine Individuen mehr.

Der Zuschauer hört einen vielstimmigen Gesang, aus dem nur hin und wieder ein erkennbares individuelles Schicksal aufblitzt. Er hört die Stimmen der Leidenden, der Toten: Sie wandern unterschiedslos über diesen Schauplatz der Zerstörung, über diesen “Schwarzen Kontinent”, mit Mülltüten in der Hand und sammeln die Überreste ein, ihre Überreste.
Aber Adnans Text ist nicht nur eine Beschreibung der Gewalt und Zerstörung; er ist nicht nur die “schwarze Sonne” der Depression, sondern zeigt auch den Weg aus der Depression, aus dem Trauma. Ihre grünen, blauen und roten Sonnen verweisen auf eine kommende Solidarität der Unterdrückten, auf eine Metamorphose der Arabischen Apokalypse in ein Lied, in einen kommenden Aufstand.

Pressestimmen

Dennis Baranski schreibt im Mannheimer Morgen am 31. 3. 2014 unter dem Titel

“Böses unter der Sonne”:

… – die reduzierte Inszenierung verlässt sich ganz auf ihre sprachgewaltige Vorlage. Nüchtern referierend begegnen die Mimen dem lyrischen Koloss, seinen surrealen Assoziationsketten, ungeschönten Bestandsaufnahmen und immer wieder der Sonne, dieser prägendsten Erinnerung. Erbarmungslos leuchtet sie die finsteren Ecken von Verrat und Tod aus, bestrahlt unbeteiligt den Untergang einer ganzen Region. Ein Sujet von beklemmender Aktualität. All das wiegt schwer, gerade für ein Bühnenspiel, doch es soll, es muss schmerzen. Regisseur Escher entwickelt mit seiner klaren performativen Umsetzung sensibel und präzise eine Elegie, die allmählich in sich zusammenfällt, erst im Chaos, bald darauf im Untergang ihr ultimatives Ende findet – unweigerlich, vor allem aber unmissverständlich.

 Etel Adnan, Schriftstellerin und Malerin, wurde 1925 in Beirut geboren. Ihre Mutter war eine christliche Griechin aus Smyrna, ihr Vater ein muslimischer Syrer. In dem seinerzeit französisch kontrollierten Libanon besuchte sie die katholische französische Mädchenschule. Ihre erste literarische Sprache war das Französische. Später schrieb sie auch in englischer Sprache.

Im sprachlichen Widerstreit fand sie in der abstrakten Malerei eine weitere Ausdrucksform: Als Malerin habe sie nicht vom Schreiben gelernt, als Autorin aber vom Malen.
Adnan verließ mit sechzehn Jahren die Schule und arbeitete als Hilfskraft bei der französischen Armee. Neben dieser Tätigkeit legte sie das Abitur ab und begann 1945 ein Literaturstudium an der neugegründeten “École Supérieure des Lettres de Beyrouth”.
1949 Studium der Philosophie an der Sorbonne in Paris, wo sie einen ersten Abschluss in Philosophie machte, ab 1955 setzte sie ihr Studium an der University of California, Berkeley und an der Harvard University fort. Von 1958 bis 1972 unterrichtete sie Geisteswissenschaften und Philosophie in San Rafael, Kalifornien.
1972 kehrte sie in den Libanon zurück, um als Feuilletonredakteurin der französischsprachigen Zeitungen Al Safa und L’Orient-Le Jour zu arbeiten, musste aber nach zwei Jahren den Libanon wegen des Bürgerkriegs erneut verlassen. Sie zog nach Paris, wo sie 1978 ihren Antikriegsroman “Sitt Marie-Rose” schrieb, in dem sie das Schicksal ihrer durch die Kata’ib ermordeten Freundin aufgriff. 1979 ging sie wieder nach Kalifornien. Sie lebt heute in Paris und Sausalito.
Anfang der 1980er Jahre schrieb sie einen Beitrag für Robert Wilsons Oper “The Civil Wars”. Danach verfasste sie eine Reihe von Theaterstücken.
2010 wurde Etel Adnan für ihre Verdienste um die arabische Welt vom libanesischen Präsidenten Michel Slaiman mit dem Staatspreis ausgezeichnet.
2012 wurde Adnan zur DOCUMENTA eingeladen. Von ihr wurden dort siebenundachtzig Werke, zwei Tapeten, ein Buch und ihr erster Film gezeigt.

 

Fähigkeiten

Gepostet am

19. Mai 2016

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